A Question of Method: Anthony Blunt and the Practice of Architectural History in Britain (1934-1974)
Dr. Matthew Critchley, 2023
In der englischen Vorstellung ist Anthony Blunt als kommunistischer Doppelagent bekannt, der während seiner Tätigkeit für den britischen Geheimdienst Staatsgeheimnisse an die Sowjetunion weitergab. Es ist eine der berüchtigtsten Geschichten des Kalten Krieges, die zahlreiche fiktionale Darstellungen und unzählige nicht-fiktionale Nacherzählungen hervorgebracht hat. Unter dem Gewicht all dieser Literatur findet sich vergleichsweise wenig, das sich mit Blunt als Kunsthistoriker und noch weniger mit seiner Arbeit in der Architektur befasst.
Das hier vertretene Argument ist, dass Blunts Arbeit als Architekturhistoriker dazu beiträgt, die Veränderungen in der britischen Architekturgeschichte in der Mitte des 20. Jahrhunderts besser zu verstehen, da sein Werk viele der wichtigsten methodischen Veränderungen in der Disziplin widerspiegelt. Als Studierender schrieb er zunächst als doktrinärer Formalist. Dann, als überzeugter Kommunist, experimentierte er mit einer frühen marxistischen Kunstgeschichte. Als er Mitarbeiter des Warburg-Instituts wurde, trug er dazu bei, deutsche kunsthistorische Methoden, einschliesslich der Ikonologie, in die britische Kunstgeschichtsschreibung zu übernehmen.
Schliesslich trug er als Direktor des Courtauld Institute of Art dazu bei, dass Kunst- und Architekturgeschichte in Grossbritannien zu einem akademischen Fach wurde. Nur wenige von Blunts Zeitgenossen haben ein vergleichbares Gefüge von ineinandergreifenden Entwicklungen durchdrungen. Die Untersuchung von Blunt hilft uns, diesen Moment, in dem sich der moderne Architekturhistoriker in Grossbritannien formte, genauer zu erfassen.
Die Kapitel, aus denen sich diese Dissertation zusammensetzt, zeichnen jede der grossen Transformationen nach, an denen Blunt beteiligt war. Die ersten drei Kapitel sind der Methode gewidmet: Kapitel 1 über den Betrachter und den Formalismus, Kapitel 2 über marxistische Kunst- und Architekturgeschichten und Kapitel 3 über eine Ikonologie der Architektur. Das letzte Kapitel ist eine institutionelle Geschichte des Courtauld. Diese Entwicklungen lassen sich nicht ohne weiteres zeitlich einordnen, eine folgt nicht strikt auf die andere, so dass jede von ihnen am Anfang von Blunts historischer Arbeit neu beginnt. Indem die Dissertation auf diese Weise thematisch gegliedert ist, versucht die vorliegende Studie, diese Entwicklungen und die komplexen Auseinandersetzungen, in die sie oft verwickelt waren, zu erfassen und dabei Blunt zu nutzen, um über die umfassenderen Veränderungen in der Disziplin zu sprechen.
Die erste Aufgabe dieser Studie bestand darin, die historischen Kontingenzen aufzuzeigen, die die Methode des architektonischen Schreibens untermauerten oder sogar bestimmten. Die detaillierte Untersuchung der veröffentlichten Werke steht neben der Aufarbeitung der Umstände verschiedener methodischer Transformationen in Archivquellen. Blunts Beschäftigung mit einer marxistischen Kunstgeschichte wurde durch sein Engagement für den Kommunismus und die hitzigen politischen Debatten der 1930er Jahre vorangetrieben. Seine Aneignung der Methoden der deutschen Kunstgeschichte war eng mit der Ankunft des Warburg-Instituts in London und der Politik des Exils verknüpft.
Die zweite Aufgabe dieser Arbeit bestand darin, aufzuzeichnen, dass die hier vorgestellten Methoden heftig umstritten waren. Der moderne Betrachter, den wir in Kapitel I sehen, wurde von einigen ersetzt, von anderen verspottet und durch die Idee des historisch rekonstruierten Betrachters in Frage gestellt. Kapitel 2 wird zeigen, wie die frühen Versuche einer marxistischen Kunstgeschichte von Frederick Antal, die für Blunt prägend waren, von konservativen Historikern politisch angegriffen wurden. In Kapitel 4 wird versucht, die Bemühungen der Courtauld zu rekonstruieren, die Kunst- und Architekturgeschichte zu einer akademischen Disziplin zu machen, vor dem Hintergrund einer skeptischen Öffentlichkeit, die immer noch von der vertrauten Figur des Kunstkenners angetan war.
Blunt war letztlich eine passive Figur, die sich ausgiebig an den Schriften seiner Kollegen bediente. Dies ermöglicht es uns, ihn als Fallstudie zu verwenden, die für die Disziplin als Ganzes spricht, es bedeutet aber auch, dass jede Studie über Blunt eine Auseinandersetzung mit einer breiten Gruppe von Wissenschaftlern erfordert. Im weiteren Verlauf der Dissertation zeigt uns das breitere Feld, das Blunt uns eröffnet, dass es entgegen der historiographischen Tendenz, sich auf kanonische Figuren zu konzentrieren, einer enormen kollektiven Anstrengung bedarf, um die Methode einer Disziplin zu verändern.
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