Wooden Churches on the Move: Negotiated Modernity between Village and Nation in the Carpathian Mountains, 1918 - 1939

Dissertation: Radu-Remus Macovei

Viele Holzkirchen in der osteuropäischen Karpaten-Region wurden in der Zwischenkriegszeit nach dem Fall Österreich-Ungarns physisch verlagert. Durch den Prozess der Mobilisierung der Holzkirchen wurde die Architektur zum Schauplatz einer verhandelten Moderne, in der sich die konkurrierenden Ansichten der lokalen Gemeinschaften und der nationalen Institutionen kreuzten. Die Arbeit untersucht drei Fallstudien aus der Zwischenkriegszeit in Rumänien, der Tschechoslowakei und der polnisch regierten Ukraine, im Rahmen welcher Holzkirchen gegen andere Ressourcen ausgetauscht wurden, um neue Gebäude zu schaffen und bestehende zu vervielfältigen. Diese Prozesse waren teils von der Bevölkerung selbst, teils vom Staat geleitet. Das Projekt stellt die Hypothese auf, dass die Karpaten-Gemeinden und nationale Institutionen eine Form der Modernität verhandelt haben, die die üblichen imperialen, nationalen und ethnozentrischen Geschichtsschreibungen in Frage stellt.

Die Literatur verortet die Holzkirchen der Karpaten in (1) weltgeschichtlichen Abhandlungen zur Verknüpfung mit breiteren kulturellen Einflüssen, (2) nationalgeschichtlichen Abhandlungen zur Verknüpfung mit nationaler und ethnischer Identität und (3) Fallstudien, die sich auf spezifische soziale oder materielle Befunde beziehen. In der imperialen und nationalen Geschichtsschreibung wird argumentiert, dass die Holzkirchen der Karpaten eine multiethnische Einheit und Hierarchie sowie einen ethnischen Exzeptionalismus demonstrieren.1 Die Umsiedlungsprozesse der Holzkirchen in den Karpaten eignen sich hervorragend, um die Verflechtungen zwischen Tradition und Moderne aufzuzeigen. Diese sind reif für eine Betrachtung jenseits ethnozentrischer Ansätze, die sich stattdessen auf den regionalen und transnationalen Austausch in einer materiellen und institutionellen Geschichte der Region konzentriert. In der gesamten Literatur werden die Holzkirchen als besondere Studienobjekte im Bereich der vernakulären Architektur behandelt, in der Tradition und Moderne in einem binären Verhältnis gesehen werden.2 In der jüngsten Forschung wird jedoch davon ausgegangen, dass sich beide gegenseitig informieren und dabei mehrere Modernen vorschlagen, die die dominante institutionalisierte Geschichte ins Wanken bringen.3 Tatsächlich schwankten die nationalen Diskurse in der Zwischenkriegszeit in Osteuropa zwischen der Aufwertung angeblich verschwindender "volkstümlicher" Kulturprodukte und der Modernisierung des "rückständigen" ländlichen Raums, während die Gemeinden in den Karpaten ihre eigenen Modernitäten aus Ziegeln und Mörtel errichteten, um Holzkonstruktionen zu ersetzen. Nationale Institutionen reagierten darauf, indem sie Gesetze zum Erhalt der Kirchen schufen, Museen errichteten und Holzkirchen in Gemeindebesitz vom Land in die Städte verlegten. Die letztgenannte Praxis stellt die Architektur in den Mittelpunkt der Reibungen zwischen lokalen Gemeinschaften und nationalen Instanzen.

Um die von den nationalen Institutionen und den Karpaten-Gemeinden ausgehandelte Modernität zu rekonstruieren, werden in dieser Studie die Umsiedlungsprozesse in vier Schlüsselmomente unterteilt: Vervielfältigung von Gebäuden, Extraktion aus dem ländlichen Raum, städtische Eingliederung und Gebäudemultiplikation. Das Projekt stützt sich auf Archivrecherchen und veröffentlichte Primär- und Sekundärquellen und analysiert das gesammelte Material anhand Provenance, Ekphrasis, regionale und transnationale Ansätze und postkolonialen Studien. Diese Erhebungs- und Analysemethoden ermöglichen eine induktive Argumentation, bei der größere theoretische Konzepte von Modernität, Tradition, Austausch, Nationenbildung und Kolonialität anhand von Mikrogeschichten untersucht werden.

1 Oxana Gourinovitch, “The Revenge of the Future,” in Popescu et al., “Field Notes,” 10.

2 Abu-Lughod, “Disappearing Dichotomies: First World - Third World; Traditional - Modern,” 8.

3 Brown and Maudlin, “Concepts of Vernacular Architecture,” 349.

Radu Remus Macovei
Dozent am Departement Architektur
  • HIL D 62.1

I. f. Geschichte/Theorie der Arch.
Stefano-Franscini-Platz 5
8093 Zürich
Schweiz

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