"Drawn from the Ground”: Auszug in Late Medieval Architectural Design
Dissertation: Daniel Tischler

In den wenigen erhaltenen Werkmeisterbüchern und Steinmetzordnungen des 15. Jahrhunderts wird immer wieder auf ein Konzept namens Auszug referiert. Dieser frühneuhochdeutsche Begriff bezeichnet sowohl ein geometrisches Verfahren – zur Konstruktion einer Architekturzeichnung auf Grundlage einer anderen – als auch eine Denkfigur, mittels derer man architektonische Formgebung imaginieren kann: ein architektonischer Körper wird „ausgezogen aus dem grund“. Bei dem Auszug handelt es sich also um eine „assemblage“ im Deleuze’schen Sinne, indem eine materielle Praxis und eine diskursive Formation ineinandergreifen. Dieselbe doppelte Funktionsstruktur – zeichnerische Konstruktionstechnik und Metapher architektonischer Formgebung – findet sich in der kombinierten Orthogonalprojektion, dem ‚modernen‘ Gegenstück zum ‚mittelalterlichen‘ Auszug. In Anbetracht der Diskursdominanz des Projektionsparadigmas, welches als analytisches Kriterium geradezu universal und transhistorisch allem Nachdenken über Architekturzeichnungen vorausgesetzt wird, ist die Bedeutung des Auszugs in Praxis und Diskurs der spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Architektur weitgehend unbemerkt geblieben. Dieses Dissertationsprojekt rekonstruiert den Auszug anhand seiner grafischen und textlichen Quellen, um dessen konzeptuelle Alterität und historische Spezifität verständlich zu machen, und damit eine alternative Konzeption dessen, was Architekturzeichnungen sind und leisten, aufzuzeigen.
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